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Heimkehr und Aufbruch

Der Hauptbahnhof von Mönchengladbach an einem Samstagvormittag im Winter.
Ein Schimmer in blau und violett liegt auf unserer Stadt. Die meisten Lichter hier…mitten auf dem Europaplatz 1 sind funktionale Begleiter. Das warm-weiße Leuchten an der Front des, 1851 eröffneten
Kreuzungsbahnhofes wirkt wie ein Spot aus längst vergangenen Tagen. 
Ausharren vor der Empfangshalle, die ebenso wie die charakteristischen Wandfliesen im Bahnhofstunnel fast schon stilistisch bedeutend wirkt, weil sie ganz anders ist, als alles, was je zuvor als anders beschrieben wurde. Ein Blick auf die Eingangstüren, die seit vielen Jahren deshalb regelmäßig ersetzt werden müssen, weil sie in Personen ihren Meister finden, die keine Hindernisse, kein Halten, keine Grenzen, keinen Blickkontakt und keinen Gruß in ihrem Leben mehr wünschen. Kaputtmacher rauschen immer weiter….
Wer hier auf etwas wartet freut sich drauf.
Vor mir bellt ein fülliger Herr seinen zierlichen Hund an, der ihn dennoch geduldig und mit stolzer Haltung hinter sich herzieht, wie ein flinkes Motorboot einen defekten,rostigen Öltanker auf hoher See. Der Herr stößt Worte aus anstatt sie zu sprechen. Armer Hund!
Eine Gruppe Jugendlicher wartet euphorisch lachend auf den nächsten Bus in Richtung Odenkirchen. Sie freuen sich auf diesen Samstag…keine Frage. Kreisende Blicke ermöglichen Eindrücke, die für Gladbach stehen. Während mancher Geselle im Zwielicht umherschleicht, unklar, ob gerade erst auf dem Heimweg aus der Nacht, begrüßen sich zwei junge Damen herzlich und schwärmen von einem reichhaltigen Frühstück, welches bereits auf sie wartet. 
Viel Dreck liegt in Gladbachs Ecken, hier am Hauptbahnhof. Vorfreude wird sichtbar in den Gesichtern der Menschen, die an diesem Tag Ziele vor Augen haben. Ein Samstag „läuft sich warm“…und es wird immer heller!
Kindheitserinnerungen werden wach, beim Gang durch den Bahnhofstunnel. An Mama’s Hand und mit den Geschwistern war es hier in den 80ern immer schön. Es lag an Mama’s Hand, an den Geschwistern, an den 80ern und an der Eisenbahn im Bahnhofsfoyer. Eine echte Attraktion und eine Augenweide. Um sie herum ein Glaskasten. 
Wer heimkehrte nach Mönchengladbach, wusste beim Anblick des Hauptbahnhofs: Gleich bin ich zu Hause! 
Wer aufbrach nach Irgendwo, war sich sicher: Egal wo ich hingeh’…ich komme wieder zurück…nach JLABBACH!
Eine Snack-Bäckerei-Filiale und die fleißige Mitarbeiterin am Ofen weckt mich ein wenig auf. Beim Blick hinüber wundere ich mich über so viel Fleiß, einen so angenehmen Umgangston und über so derbe Resonanz…denn Reisende haben selten Zeit…und Zeit ist Geld…und Freundlichkeit kostet ja nichts…sagt man so. Für die Freundlichkeit sorgt die junge Dame…für die Zeitersparnis sorgen die Reisenden.
Dann wieder Erinnerungen. Nicht die Gladbacher Wahrzeichen auf den Bildern an den Wänden hier erinnern mich an unser Gladbach. Das, was ich nicht mehr finde, kehrt heim in meine Gedankenwelt. 
Das Blumengeschäft, die in dunkelbraun gehaltene Bahnhofsgaststätte, der große Weihnachtsbaum draußen…und beim Querblick wieder raus aus dem Hauptbahnhof…die orange-farbenen Bushäuschen mit den bökelberg-gleichen Sitzschalen. Was daran so toll war? Die Funktion. Jeder Gladbacher, der wollte, konnte sich bei schlechtem Wetter schützen und auf den Sitzen…da saß man recht gemütlich, nicht ganz so kalt. Es roch damals nicht gut im Tunnel zwischen HBF und Haus Westland…Aber gut waren die 80er!
„Stadtstreicher“ oder „Penner“ gab es damals auch. Sie saßen ganz gerne auf Holzbänken mit Blick auf die Geschäfte am Haus Westland.
Dort tranken sie Bier und störten nicht wirklich.
Eines Tages wurde diese Zone so trickreich in eine Schräge aus Beton umgewandelt, dass sie verschwinden mussten…die „Penner“…in den 90ern… bevor der große Stahlhimmel errichtet wurde.
„Penner“ heißen heute Obdachlose oder Wohnungssuchende, wir nennen sie hier bei uns in Gladbach „Menschen ohne Dach über dem Kopf“ oder einfach nur „Menschen, die unsere Hilfe brauchen!“…oder einfach nur MENSCHEN…und somit…Gladbacher wie Du und ich! Das ist fortschrittlich…und ja, hier bei uns in Gladbach bewegt sich etwas in die richtige, in die liebevolle Richtung!
Ein zuversichtlicher Blick hinaus aus dem Bahnhofstunnel! Hoffnung! Der Platz der Republik. Hier sorgen Freiwillige, Ehrenamtler, Menschen mit Herz und Verstand dafür, dass anderen Menschen, denen es nicht so gut geht, eine heiße Suppe serviert wird. 
Verschämt komme ich vom Mittagessen mit meinen Kindern und mit Luftballons und Einkäufen bepackt am Suppenstand der SUPPENTANTEN und SUPPENONKEL für Obdachlose vorbei.
Ich will mit den Leuten sprechen, die all das so selbstlos möglich machen seit nunmehr 5 Jahren. Die Suppe duftet gut. Die Menschen strahlen eine dankbare Zufriedenheit aus. Alle Menschen hier. Die Suppengeber und die Suppennehmer. 
Eine alte Dame isst ihre Suppe so würdevoll, wie es mancher „Styler“ von heute niemals könnte. Ein zitternder und ausgezehrter Typ, scheint für die Dauer dieser Mahlzeit völlig in sich zu ruhen.
Die Menschen erkennen einander als Menschen an. Das findet man so nur hier, in Familien, in Altenheimen und manchmal in Notsituationen, welche Menschen zu Großtaten anstiften. Dankbar bin ich dafür, seit gestern ein kleiner Teil dieser Helfer sein zu dürfen. Die Werbetrommel rühren will ich, wann immer es geht…und hoffentlich auch bald die Gulaschkanone.
Hier ist nicht der „Platz an der Sonne“…es ist „Der Platz der Republik“. 
Viel Leid macht Menschen wütend. Eine junge Frau isst ihre Suppe und ein stadtbekannter „Zausel“ mit Einkaufswagen (heute ohne Vollbart) keucht blind vor sich hin und rempelt sie unsensibel an. Die Worte, die sie dann findet sind nicht druckreif. Es ist alles echt, was hier geschieht und deshalb gebührt den Initiatoren der SUPPENTANTEN UND SUPPENONKEL für Obdachlose ein großer Dank und großer Respekt von Seiten aller Gladbacher, wie ich finde! Jeder, der seinen Teil beitragen kann, sollte dies anstreben. Jede Mahlzeit zubereitet und überreicht an unsere Nächsten ist ein weiterer Hoffnungsschimmer. Jeder perfekte Augenblick…ein kleiner Aufbruch!
Zuversichtlich darf jeder Gladbacher, jeder Mensch sein, der bereit ist auf sein Herz zu hören und seinem Nächsten die Hand zu reichen.
Kein Gespräch mehr notwendig…ich verlasse den Platz der Republik gemeinsam mit meinen Kindern, den bunten Ballons und den Einkäufen. Alles Gesehene, Gehörte und Erlebte reicht aus um diese gute Sache zu unterstützen!
Heimkehr und Aufbruch…

Quelle: Facebook Gruppe „WIR Gladbacher“

Ein Beitrag der Facebook-Seite WIR Gladbacher